Musik-Tips

Party Schlager Chart 216588
18.02.2019
WHITECHAPEL
The Valley

Seit ihrem Debüt The Somatic Defilement von 2017 zieht sich Finsternis wie ein roter Faden durch die Musik von Whitechapel, doch so rabenschwarz wie auf ihrem siebten Album The Valley hat die Band nie geklungen. „Fröhliche Texte, schöne Emotionen und Melodien gibt es auf dieser Scheibe eher nicht zu hören“, sagt Gitarrist Alex Wade. „Unsere letzte Mark of the Blade (2016) klang zwar auch keineswegs nach eitel Sonnenschein, war aber weniger auf Gefühl und Stimmung ausgerichtet, sondern bestand einfach aus geradlinigen Metal-Songs. Die neuen Stücke versprühen etwas Dunkleres, Melancholisches.“ Obwohl Sänger Phil Bozeman noch nie ein Blatt vor den Mund genommen und seiner Stimme schon immer alles abverlangt hat, wird er diesmal sogar noch persönlicher, und da es dabei um seine schwere Kindheit geht, muss die Musik dies angemessen widerspiegeln. „Sämtliche Lyrics drehen sich um meine frühe Jugend, wobei ich mit meinem heutigen Wissen auf damals zurückblicke“, erklärt er. „Zudem erörtere ich das Leiden und die gespaltene Persönlichkeit meiner Mutter. Sie führte ein Tagebuch, in dem verstörendes, teils bösartiges Zeug steht, und ich habe nicht nur daraus zitiert, sondern generell stark Bezug darauf genommen.“


Wade räumt ein, Mark of the Blade sei aufgrund von Spannungen innerhalb der Gruppe während ihrer Arbeit am Album keine Sternstunde gewesen, wenngleich man noch stolz darauf sei, weil es selbstbewusst in eine neue stilistische Richtung verwiesen hat und hervorragend bei den Fans ankam. Für The Valley waren Wade, Bozeman, Bassist Gabe Crisp sowie die beiden Gitarristen Zach Householder und Ben Savage allesamt „mental viel besser drauf, und das hört man dem Material auch an.“ Wie üblich gab es im Vorfeld keinen konkreten Plan, sodass sich alles organisch entwickeln konnte, wobei den Mitgliedern Schlagzeug-Zauberer Navene Koperweis – ehemals Animals As Leaders und Animosity – zur Seite stand. „Ich stehe total darauf, was er mit seinem Spiel bei uns eingebracht hat“, so der Sänger. „Es ist die perfekte Mischung aus auf den Punkt genauem, hartem Groove und Geschwindigkeit bzw. Technik, wie man sie von uns kennt. Er ist ein atemberaubender Musiker und nahm seine Parts in nur fünf Tagen auf, was mich ungeheuer beeindruckt hat.“ Beim ersten Hören von The Valley erkennt man schnell, dass es sich um Whitechapel handelt, allerdings fand wie auf jedem seiner Vorgänger eine Weiterentwicklung statt. „Die Scheibe klingt gewaltig“, behauptet Bozeman. „Sie ist aggressiv, und man wird von unheilvollen Gitarrenriffs emotional erschlagen. Die fiesen Parts wechseln sich mit sanften Momenten ab – eine richtige Achterbahn der Gefühle.“ Einmal mehr singt der Frontmann hier und dort auch melodisch, was dem jeweiligen Song zugutekommt, wobei ‚Hickory Creek‘ der erste der Gruppe mit ausschließlich klarem Gesang ist. „Während der Rest düster und heavy bleibt, stellt Phils Entscheidung, hier nur clean zu singen, ein gutes Gleichgewicht her“, findet Wade. „Das hat auch früher nie verkrampft oder erzwungen geklungen, sondern immer so, als gehöre es an die jeweilige Stelle.“


Das Tal im Titel ist Hardin Valley westlich von Knoxville, Tennessee, wo Bozeman aufwuchs. Vor diesem Hintergrund hält er nichts zurück und fährt auf seiner bisherigen thematischen Schiene fort, indem er klarstellt, dass er gelitten und überlebt hat, aber bereit ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. „Phil hat schon früher offen in seinen Texten über schwere Zeiten in seinem Leben bzw. während seiner Kindheit gesprochen, und auf diesem Album haben wir versucht, dem musikalisch noch besser gerecht zu werden“, erläutert Wade weiter, der wie auch die anderen Bandmitglieder zu 100 Prozent hinter den Worten des Sängers steht. „Ich denke, unsere Musik ist ein Ventil für Phil, durch das er Dampf über seine Vergangenheit auslassen kann, weshalb hoffentlich auch jeder, dem es ähnlich ging, etwas herausziehen kann.“ Für die Aufnahmen dieses Machtwerks zog die Band einmal mehr den Produzenten Mark Lewis (Cannibal Corpse, The Black Dahlia Murder) heran, dessen Hingabe gewährleistete, dass die Musiker ihr Bestes gaben. „Mark hat unsere drei letzten Platten gemacht, also sind beide Seiten miteinander vertraut. Ich stand beim Schreiben der Texte unter Zeitdruck, doch so mag ich das am liebsten. Irgendwie gehen sie mir dann leichter von der Hand“, gesteht Bozeman. Die Aufnahmen fanden jeweils zu Hause bei Wade und Householde statt, wohingegen die Drums im Warner Brothers Studio in Nashville in Tennessee eingespielt wurden. Das war eine angenehmere Arbeitsweise für alle Beteiligten, obwohl es länger als sonst dauerte, weil die Gruppe zwischendurch auf Tournee ging. Geschadet hat es ihr jedoch nicht. „Die Produktion hat im Großen und Ganzen Spaß gemacht und lief liefen ziemlich geradlinig ab“, beschreibt Wade. „Viel gefeiert wurde währenddessen nicht, weil es uns allen wohl so ging, dass wir unsere Arbeit erledigen wollten. Die Sessions fanden ja über einen längeren Zeitraum hinweg statt, waren also nicht sonderlich stressig oder überhastet.“


Natürlich werden die Metal-Titanen aus Knoxville wieder Konzerte geben, nun da sie mit einer neuen Sammlung von Songs am Start sind. Für Wade bedeutet jedes Album einen Meilenstein, mit dem das Vermächtnis von Whitechapel weiter wächst, und The Valley bildet dahingehend keine Ausnahme. Bozeman abschließend: „Wir haben den Sound weiter ausgearbeitet, der auf Mark Of The Blade etabliert wurde, und ein insgesamt homogeneres Album geschaffen. Ich glaube, unsere Fans werden die Stimmung und Atmosphäre wahrnehmen und schätzen lernen, womit ich jeden Aspekt der Musik meine. Außerdem sind wir nun als Band so stark wie seit Jahren nicht, und hoffentlich, wenn wir später auf diese Platte zurückblicken, sehen wir sie positiv als wesentlichen Schritt in einer Übergangsphase unserer Karriere.“ Der Sänger sagt aber auch ganz deutlich, dass The Valley definitiv nach den Vorstellungen der Band ausfiel, und zwar ohne jegliche Einschränkungen. „Wir schreiben, was wir wollen, und egal, um welche Art von Kunst es sich handelt, sei es Musik, Architektur, Malerei oder eine andere, sollte man in der Lage sein, sich frei zu entfalten. Uns ist in erster Linie wichtig, dass wir selbst auf unseren Stoff stehen, und falls es den Fans genauso geht, ist das toll. Darin besteht die Schönheit von Kunst: Man macht sie für sich selbst und darf sich glücklich schätzen, wenn man davon leben kann.“

BACK